Samstag, 24. Januar 2009
 
Tschetschenin Maus soll abgeschoben werden PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Michael Genner   
Dienstag, 8. Mai 2007

Die 53jährige schwer kranke Tschetschenin Maus G., die bei ihrer Tochter in Graz lebt, soll abgeschoben werden. So will es das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost. Maus ist aus Tschetschenien geflüchtet, als ihr Mann zu Tode gefoltert worden war. Über Polen, wo sie sich nicht sicher fühlte, weil sie dort einen Drohbrief erhielt, kam sie nach Österreich, wo ihre Tochter Madina und ihr Sohn Hizar seit drei Jahren als anerkannte Flüchtlinge leben.

Maus ist dann wochenlang im Polizeigefängnis Rossauerlände gesessen. Ich brachte für sie eine Haftbeschwerde ein; selbst der Unabhängige Verwaltungssenat hatte ein Einsehen und entschied, daß sie bei ihrer Tochter besser als im Gefängnis aufgehoben sei. Sie wurde aus der Haft entlassen. Ein Zwischenerfolg.

Seit 3 Monaten wohnt sie nun bei ihrer Tochter in Graz, der es auch nicht gut geht: Madina hat schwere Depressionen. Maus leidet laut Befund an Bluthochdruck, Albträumen, Schlaflosigkeit und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie muß ständig Medikamente nehmen. Die beiden könnten einander nun ein bisschen Halt geben - wäre nicht das Bundesasylamt, das soeben einen „Dublin-Bescheid“ (Ausweisung nach Polen) erließ.

Das Asylamt räumt großzügig ein, dass zwischen Mutter und Tochter ein Familienverhältnis besteht, ja sogar, dass Maus ein „wenn auch loses Anknüpfungsmoment“ zu ihren Enkelkindern in Graz habe, meint aber, die Tochter habe es die letzten drei Jahre trotz ihrer Depressionen auch ohne die Mutter ausgehalten. Die Mutter wiederum könne sich in Polen behandeln lassen, die Tochter könnte sie ja dort besuchen kommen.

Dass die Abschiebung der Mutter deren Gesundheitszustand verschlechtern würde, erscheine „sicherlich aus medizinischer bzw. psychotherapeutischer Sicht unerwünscht“, jedoch sei „diese Beeinträchtigung aus juristischer Sichtweise unbeachtlich“, sodass Maus sie „erdulden“ müsse.

Was es für eine ältere Frau, die nach drei Jahren kriegsbedingter Trennung ihre Kinder und Enkel endlich wieder findet und nun neuerlich mit Polizeigewalt von ihnen getrennt werden soll, bedeutet; ob ihr Blutdruck zu hoch steigen könnte, ihre Angstzustände zunähmen, ob der Schock zu einer Retraumatisierung führte - alles einerlei.

Dieses Amt hat offenbar noch nichts von der Europäischen Menschenrechtskonvention gehört, die höher als Dublin steht, weil sie in Österreich Verfassungsrang genießt, und deren Artikel 3 das Verbot unmenschlicher Behandlung, Artikel 8 den Schutz des Privat- und Familienlebens festschreibt.

Ich habe gegen diesen unsagbar herzlosen, unmenschlichen Bescheid Berufung erhoben und erwarte, daß der Unabhängige Bundesasylsenat ihn raschestens behebt.

Aber das ist nicht genug. Das Prokop’sche Fremden-Unrecht, das seit Jänner 2006 in diesem Land herrscht, macht solche Bescheide möglich und wird von der Beamtenschaft als Freibrief ausgelegt.

Wir fordern daher eine Generalreform des Asyl- und Fremdenrechts. Österreich muss wieder Asylland werden. Die Menschenrechte müssen wieder gelten in diesem Land.

Michael Genner
Obmann von Asyl in Not

Währingerstraße 59
1090 Wien

www.asyl-in-not.org

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